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Konzepttext ++ 2012 Hallenmeisterschaft

Hallenmeisterschaft

Der Titel der Gruppenausstellung in der als Ausstellungsort genutzten Turnhalle des Baruther Kunstvereins ist reich an Bezügen. Erstens nimmt er die Architektur auf und weckt damit Assoziationen zur ursprünglichen, sportlichen Nutzung. Hallenmeisterschaften kennt man etwa aus dem Bereich der Leichtathletik oder des Fußballs. Daneben lassen sich aber beide Wortteile auf die Kunst beziehen: (Kunst)Halle und artistische Meisterschaft.

 Im Gegensatz zum Leistungssport erscheint der Begriff einer Meisterschaft in der Gegenwartskunst problematisch. Ist die Spitzenleistung eines Künstlers exakt messbar im Sinne eines „Schneller, Höher, Weiter“? Künstlerische Äußerungen werden zwar mitunter mit Siegesprämien ausgezeichnet (etwa mit den Löwen der Biennale di Venezia) – doch ist eine derartige Prämierung in der Gegenwartskunst kaum je so unanfechtbar wie etwa die Ermittlung des Siegers im 100-Meterlauf.

Kein Künstler ist etwa schneller und damit objektiv „besser“ als ein anderer. Das Charakteristikum der Kunst ist es ja gerade, auf unterschiedlichen Wegen und mit diversen, individuellen Gestaltungsmitteln an ein Ziel zu kommen, das zudem erst durch die Festsetzung der jeweiligen Urheber definiert wird. Objektivierbar sind allenfalls die handwerkliche Ausführung oder der Grad an konzeptioneller Komplexität. Doch dies alleine garantiert noch kein Kunstwerk. Die eigentliche Meisterschaft  wird vielmehr gerade in dem Maße erkennbar, in dem sie sich quantitativen Kriterien entzieht.

War im zünftig strukturierten Mittealter die Meisterschaft (im jeweiligen zeitlichen Kontext) klar definiert, so prägte sie auch das Verhältnis innerhalb der Ausbildung nachhaltig. Bei den in Baruth ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern (häufig „Meisterschülern“) dürfte das durchweg in Leipzig erfolgte Kunststudium bzw. die dort ausgeübte Lehre andere Hierarchien vorausgesetzt haben. Zwar war der Topos der Meisterschaft immanenter Teil des Sozialistischen Realismus in der DDR; doch gerade nach 1989 setzte auch hier eine Befreiuung von Dogmen in Studium und Praxis ein, wie sich in den unterschiedlichen Oeuvres ablesen lässt.
 
Leipzig ist einerseits die geografische Klammer, die die Einzelkünstler biographisch verbindet. Nicht alle wurden auch hier geboren – doch als Maler in Leipzig zu wohnen und zu arbeiten setzt eine intensive Auseinandersetzung mit den ausgeprägten regionalen Traditionen voraus. Viele der erfolgreichen deutschen  „Meistermaler“ des  20. und 21. Jahrhunderts (Richter, Polke, Baselitz, Rauch) stammen aus dem sächsischen Raum.

Entsprechend hoch ist denn auch die Qualität der in Baruth gezeigten Gemälde, die sich weitgehend mit dem Bildtthema Raum auseinandersetzen. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen künstlerischen Positionen lässt sich eine große Bandbreite der Malerei ablesen. Dabei ist eine Gruppenausstellung – zumal wenn sie sich auf ein künstlerisches Genre beschränkt – eine „Leistungsschau“, die zum Vergleichen einlädt. Eine Art Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums. Die Künstlerinnen und Künstler nehmen es sportlich, stellen sich im Verein Ihrer Aufmerksamkeit. Kunst frei!

Dr. Martin Steffens, Berlin

 
 

Seepferdchen (1972), Delfin (1973), Frei- und Fahrtenschwimmer (Mitte und Ende 1970er Jahre), 1. Platz im Jugendreiterturnier in Marl/Westf. (1983)